MÜNCHEN · WÜRZBURG · GIESSEN · SIEGEN · STRAUBING · PASSAU

Die noch junge Sammlung advotec. wird seit 2007 in Zusammenarbeit mit dem Neuen Kunstverein Gießen beständig erweitert und von Markus Lepper kuratiert. Zum Aufbau der Sammlung wurde von einem dialogischen Ansatz ausgegangen, bei dem durch das einmal jährlich realisierte Ausstellungsformat „Kunst-Stücke“ mit jeweils zwei künstlerischen Positionen der Rahmen für den Dialog zwischen Arbeiten zweier Künstler vorgegeben wurde.

Entstanden ist daraus ein komplexes System von Verhältnissen mit wechselnden Dialogpartnern – zwischen den Arbeiten eines Künstlers, zwischen denen einer Jahresgruppierung und in der Folge dann ein Verhältnis aller Teile der Sammlung. Inzwischen ist der anfangs definierte Rahmen gesprengt, so dass die Kunst-Stücke die Mitarbeiter zum Dialog auffordern.

Das Leitmotiv der Sammlung ist Neugier – nicht im Sinne von Voyeurismus – , denn wir lassen uns auf den Dialog ein. Wir wollen sehen, was etwa die Nachbarschaft der plastischen ornamentalen Strukturen des Ekrem Yalçindag zu den verletzlich wirkenden grafischen Texturen der Lucie Beppler bewirkt, wie deren Verhältnis durch den detaillierten abstrakten Realismus des Philipp Hennevogl beeinflusst wird, und was dabei mit uns passiert.

Somit entstehen immer wieder neue Situationen; auch für den Patentanwalt, der Kunst in Sichtweite seines Schreibtisches hat und auf eine ganz besondere Weise davon profitiert.

Kunst befreit, schreitet fort, lädt immer wieder ein, das über die Materialität Hinausgehende zu entdecken.

HEATHER ALLEN

(*1952 in Romford/England, lebt in Berlin) formt aus dem Werkstoff Sculpey kleine lebensnahe Figuren, die eine sinnbildliche Ähnlichkeit mit der Künstlerin haben und doch auf allgemeine Identitäts- und Körperbilder verweisen. Angezogen oder nackt, in Gruppen oder ganz alleine bilden sie kommunikative Strukturen ab und befragen Öffentliches ebenso wie Intimes.

Figur auf Leiter (Line up and be), 2008, Kleinplastik aus Sculpey, ca. 18 cm hoch

LUCIE BEPPLER

(*1961 in Wetzlar, lebt in Frankfurt am Main) zeichnet mit Bleistiften unterschiedlicher Härtegrade, mit Gravurnadel und Silberstift grafische Lineaturen, Texturen und organische Strukturen auf Papier. Zuweilen verletzt sie die Oberfläche ihrer Zeichnungen durch die Intensität ihrer Bearbeitung und eröffnet dadurch Analogien zum menschlich Körperhaften.

o.T., 2011, Bleistift, Gravurnadel, Tusche, Öl auf Papier, 49,5 × 62 cm

TOBIAS BUCKEL

(*1978 in Ansbach, lebt in Nürnberg) konstruiert seine malerischen Räume aus einfachen Linien und überschaubaren Dimensionen in tonaler Farbigkeit. Dabei funktionieren seine geometrischen Markierungen eher als abstrakte Bildstrukturen und können doch auch als diejenigen Bildfiguren verstanden werden, die dem Betrachter zahlreiche Assoziationsräume öffnen.

Boom Boom, 2011, Öl auf Leinwand, 51 × 40 cm

NICOLAJ DUDEK

(* 1964, lebt in Frankfurt / Main) ist dem Medium der Zeichnung verpflichtet und untersucht es von den Rändern her.

Dabei sind ihm auch entlegene Materialien recht, um aus Versatzstücken mit Illustrierten und eigenen Zeichnungen irritierende Bildwelten zu eröffnen.

»Sputniks«, 21 × 29,7 cm, 2015

 
 

 

 

CHRISTIANE FESER

(*1977 in Würzburg, lebt in Frankfurt am Main) entwickelt aus fotografierten Strukturen komplexe, medial aufeinander bezogene Arbeiten, indem sie die Fotografien durchschneidet, aufklappt, fixiert und erneut fotografiert. Ausgestellt werden die plastischen „Modelle“ ebenso wie die entsprechenden „Latenten Konstrukte“, deren Familienähnlichkeiten immer wieder für Verwirrung sorgen.

Konstrukt 53 (links), Konstrukt 39 (rechts), 2011, Fotografie, Pigment Print, Edition 1/5 + 2, 60 × 42 cm

NATHALIE GRENZHAEUSER

(*1969 in Stuttgart, lebt in Berlin) fotografiert entlegene Gegenden in Situationen des Umbruchs und setzt sich mit deren Siedlungsgeschichte und industrieller Entwicklung auseinander. Ihre Bilder zeigen zuweilen irreal anmutende, beunruhigende Landschaften mit aufregender Witterung, übernatürlicher Sonneneinstrahlung und Spuren des Menschen.

Die Konstruktion der Stillen Welt, Winkelstation, 2007, Lightjet Print, Diasec matt, Edition 2/5 + 2, 120 × 160 cm

PHILIPP HENNEVOGL

(*1968 in Würzburg, lebt in Berlin) aktualisiert die Technik des Linolschnitts und besticht durch seinen Realismus und die Detailgenauigkeit, mit der er Menschen, Gegenstände und Hintergründe wiedergibt und interpretiert. Doch sein Umgang mit den Oberflächen der Gegenwart fördert auch abstrakte Strukturen und Ornamente zu Tage, die eine ungeheure Faszination erzeugen.

Struktur I (Edition 11/12), Struktur II (Edition 1/12), Struktur III (Edition 3/12), 2009, Linolschnitt, 39,8 × 58,4 cm

UTE HEUER

(*1964 in Braunschweig, lebt in Hannover) untersucht ihr Material der Farbe in seiner Tonalität und Totalität. Indem sie Farben unter spezifischen Bedingungen verarbeitet und mit unterschiedlichen Gerätschaften aufträgt, entstehen Malereien, bei denen mit einem Pinselstrich gleich mehrere Leinwände bearbeitet und durch diesen Gestus miteinander verbunden werden.

Malereidetail, 1997, Öl auf Leinwand, 18 × 24 cm

INES HOCK

Die Malerei von INES HOCK (* 1960, lebt bei Köln) hat ihr Fundament in der Farbe.
Seit über zwanzig Jahren sind ihre Arbeiten auf Papier oder Leinwand dem Kolorit und einem bestimmten »Farbzusammensein« gewidmet, ohne dass man diese der gestrengen Farbfeldmalerei zuordnen wollte.
 
»Bild Nr. B 2014-1«, Öl auf Leinwand, 80 × 120 cm, 2014

JULIA JANSEN

(*1972 in Frankfurt am Main) zeichnet mit der Schreibmaschine. Ein ungewöhnliches, weil im Zeitalter der digitalen Kultur altertümlich anmutendes Werkzeug. In vielen Schichten legt er Typen übereinander und generiert damit visuell Heterogenes, er markiert Kriegsgebiete, schildert urbane Stadtlandschaften oder konstruiert visionäre Architektur.

Piekfeine Objekte: Luftlandeübung auf den Türmen der Deutschen Bank (links), Spartakus (rechts), 2008, Schreibmaschine auf Papier, 29,7 × 21 cm

ÖZCAN KAPLAN

(*1964 in Osmancik/Türkei, lebt in Frankfurt am Main) entwickelt sein malerisches Programm im praktischen Tun und überprüft es immer wieder auf seine Beständigkeit. Er schichtet und ergänzt Farben und Texturen zu scheinbar halbdurchsichtigen Oberflächen und seine Bilder handeln von Blumen in Sommerwiesen und Schwänen im See, von Regen und Wind, von Bonbonpapierchen, Schwimmbadwetter und Sternen im Himmel.

o.T., 2001, Öl auf Nessel, 56 × 70 cm

DIRK KRECKER

(*1972 in Bonn, lebt in St. Augustin) malt seit vielen Jahren unterschiedlich kleine und große Formate in Serien, bei denen die traditionelle Unterscheidung von Realismus und Abstraktion oft nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es gibt viel zu sehen: Tiere, Blumen, Landschaften, aber auch Schatten, Unschärfe und farbiges Licht. Zuweilen sogar silberne Palmenstrände.

o.T., 2006, Öl auf Leinwand, 180 × 190 cm

CARINA LINGE

(*1976) fragt mit ihren Arbeiten aus der Serie »Einsamer Eros« nach den Möglichkeiten des individuellen Glücks und der Selbstverwirklichung des Menschen. Dazu greift sie auf eine Bildrhetorik der klassischen Malerei zurück und verdichtet in ihren Tableaus psychologische wie symbolische Aspekte in Figurenporträts, Halbakten oder in zeitgenössischen Vanitasstillleben mit Versatzstücken der Alltagskultur.

»Stilleben S.P., Single No. 1«, C-Print auf Aludibond, gerahmt, 40,5 × 60 cm, 2008

LIONEL RÖHRSCHEID

(*1966 in Madison Wisconsin/USA, lebt in Frankfurt am Main) macht Tafelbilder, deren Oberflächen an mikro- oder makroskopische Strukturen erinnern. Ordnen und Wiederholen sind die gestalterischen Prinzipien seiner abstrakten Malerei, die der Vergewisserung von Zeit und Raum dient und die übliche Rezeptionsgeschwindigkeit irritiert.

 o.T., 2004, Öl, Ölstift auf Nessel, 70 × 60 cm

KLAUS SCHNEIDER

(*1951 in Büdingen, lebt in Frankfurt am Main) benutzt seit vielen Jahren die Blindenschrift, um im Rahmen seiner künstlerischen Arbeit mehr zu sagen, als man sieht. In den neueren grafisch-lyrischen Arbeiten ist eine andere Form der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit von Sprache und Bildsprache im Zusammenhang mit japanischen Haiku entstanden.

haiku_A11, 2010, Aquarell auf Bütten, 32 × 24 cm

THOMAS VINSON

(*1970, lebt in Gießen und Paris, Frankreich) arbeitet mit Industriematerialien und mit Fundstücken. Sein Hauptmedium ist das Dreidimensionale, das er benutzt, um alltägliche Strukturen sichtbar zu machen.

»black + line«, Teerpappe auf MDF, 45,5 × 71,5 × 2,8 cm, 2007–2012

ANDREAS WALTHER

(*1971, lebt in Gießen und Taipei, Taiwan) arbeitet entlang der Grenzlinie zwischen Natur und Landschaft. Dafür muss er sein Hauptmedium Fotografie unterwandern und überhöhen, um sich dessen Programmatik zu entledigen.

»Unbenannt #5/2015«, Pigmenttinte, VelvetFineArtPapier, 16 × 24 cm, 2015

HEIDE WEIDELE

(*1944 in Heidelberg, lebt in Frankfurt am Main) verwendet farbige Plastikmaterialien zur Herstellung ihrer irritierend schönen und raumgreifenden, plastischen Wand- und Bodenarbeiten. In ihrer grellbunten Farbigkeit sind sie dem Alltag entrissen und werden sowohl zu fragilen als auch stabil wirkenden poetisch-abstrakten Skulpturen zusammengesetzt und fixiert.

Knabenkraut, 2012, Plastikteile, Kabelbinder, Klaus Schneider, Die schönsten Blüten … , 2013 (Bildhintergrund)

CHRISTIAN WEIHRAUCH

(*1966) widmet sich als Zeichner den Innen- und Außenwelten unterschiedlicher Gegenden und beobachtet deren Oberflächen minutiös.

Gegenwart und Geschichte überlagern sich in seinen wie textil verwobenen Zeichnungen eindringlich. Ein Zelt, ein Unterhemd, ein Stoffbeutel sind zu erkennen und doch brechen sich in deren Oberflächen ganz viele andere Bilder wie in einem Kaleidoskop.

»Zelt«, Farbstift auf Karton, 34 × 45 cm, 2007

EKREM YALÇINDAĞ

(*1964 in Gölbasi/Türkei, lebt in Frankfurt am Main und Istanbul) nähert sich dem großen Ganzen des Bildes und setzt sich mit ornamentalen Strukturen auseinander. Dabei benutzt er die Farbe als Malmaterial mit koloristischen und plastischen Qualitäten und reflektiert die kompositorische Dimension des „all-over“ ebenso wie die Tradition der Dekorationsmalerei.

182 mal Rot, 2010, Öl auf Leinwand, 40 × 50 cm